Der Tiefdruck ist neben dem Hochdruck und dem Flachdruck eine der Vervielfältigungstechniken für künstlerische Arbeiten. Seit nunmehr über 500 Jahren nutzen Künstler die mannigfaltigen Möglichkeiten, die diese Technik bietet, für ihre Bildgestaltungen. Gearbeitet wird meistens mit Kupfer oder Zink. Mit speziellen Werkzeugen, wie Stichel, Nadel, Schaber oder Polierstahl, werden Vertiefungen in das Metall „eingegraben“ und mit Druckfarbe versehen, der Drucker sagt „eingefärbt“. Zum Druck wird auf die so präparierte Platte gefeuchtetes Papier aufgelegt. Durch den hohen Druck mittels einer Walzenpresse mit weichem Druckfilz (Tiefdruckpresse) wird die Farbe aus den Vertiefungen geholt und erscheint seitenverkehrt auf dem Papier.
Die Bandbreite zur Bearbeitung des Motivs ist sehr groß. Kupferstich, Kaltnadel, Mezzotinto sind Techniken aus der Anfangszeit der Radierung. Seit dem Einsatz von Säuren zum Ätzen des Metalls kamen die Aquatinta und die Reservage (Aussprengtechnik) hinzu. Das Wunderbare an der Radiertechnik ist, dass alle diese Verfahren miteinander kombiniert werden können. Und genau das hat Julia Gutkina
bei ihrer Teilnahme am 26. Sächsischen Druckgrafik.Symposion begeistert genutzt. Ihre auf das
Wesentliche reduzierten Eindrücke aus der Natur, wie Schatten oder Wasserspiegelungen, werden z. B. mittels der Aussprengtechnik dargestellt.
Bei der Aussprengtechnik wird auf eine entfettete Metallplatte mit einer speziell angefertigten
Tuschelösung, man nennt sie auch „Zuckertusche“, mit dem Pinsel eine Zeichnung aufgebracht und mit Ätzgrund überwalzt. Im anschließenden Wasserbad löst sich die Zuckerlösung, wird sozusagen weggesprengt. Das Metall liegt nun an den Stellen der Pinselzeichnung frei. Je nachdem, wie lange der Künstler die Platte in der Säure ätzt, entsteht an den Rändern der Zeichnung eine zarte oder eine starke Kontur. Setzt der Künstler anschließend die Aquatinta (ein Flächenätzverfahren mit Asphalt- oder Kolophoniumstaub) ein, kann er damit die Zeichnung verstärken und zusätzlich Tonwerte erzeugen (siehe Arbeit
o. titel, 2016).
Während ihres Studienaufenthaltes in Paris von 1999–2000 hatte Julia Gutkina die Vorzüge der Hayter-Technik, auch Viskositätsdruck genannt, kennengelernt. Eine mit mehreren Farben eingefärbte Aquatintaplatte mit tief geätzten Strukturen, konventionell ausgewischt, wird mit einer harten Gummiwalze und verdünnter Farbe und anschließend mit einer weichen Gummiwalze mit strenger Farbe unter mäßigem Druck überwalzt. Dabei dringen die strengen Farbpartikel durch den weichen Gummi in die Tiefe, ohne den dünnen Farbfilm, der auf der Oberfläche liegt, zu verletzen. Es entsteht eine Vielzahl von steuerbaren Farbmischungen. Einige Arbeiten Gutkinas sind so entstanden.
Besonders erfreut war Julia Gutkina über die vielen Ratschläge, die die Meisterdrucker des Symposions aufgrund ihrer 40jährigen Arbeit im Metier des Tiefdrucks haben. So nutzte sie z. B. den Vorschlag, Schablonen einzusetzen, um den Eindruck von Weite oder Tiefe im Bild noch zu verstärken. Das heißt, vor der Farbüberrollung wurde eine Folie mit ausgeschnittenen Formen auf die Platte gelegt, so dass die Farbe gezielt nur an den vorgesehenen Stellen erschien (siehe Arbeit o. titel, 2016). Um großformatige Platten mit der Hayter-Technik einfärben zu können, werden besonders dicke Walzen benötigt, damit mit deren Umfang das einmalige Überrollen der Platte gewährleistet ist. Die Einfärbvorrichtung der großen Walzen gibt es außer in unserer Werkstatt wohl nur noch in Paris und in Dänemark.
Um das Thema Vielfältigkeit des Tiefdruckes nochmals zu unterstreichen, sei hier noch die unter dem Namen „Chine collé“ bekannte Methode genannt. Dabei wird China- oder Japanpapier dünn mit Kleister eingestrichen und beim Drucken auf das Trägerpapier collagiert. Diese Möglichkeit nutzte schon Hercules Seghers (um 1590 – um 1638). Während er das volle Plattenformat ausschöpfte, arbeitete Julia Gutkina mit gerissenen „Schnipseln“ (siehe Arbeiten o. titel, 2016; sowie o. titel, 2016). Eine geniale Möglichkeit, die Wirkung der Grafik zu erhöhen.
Zurzeit hat es die Wertschätzung der Grafik nicht leicht, aber dieses Auf und Ab hat es schon immer gegeben.
Wir führen seit 1991 das Sächsische Druckgrafik.Symposion durch und haben seitdem 142 Künstlern tiefe Einblicke in die „Schwarze Kunst“ gewährt. Wenn auch zurzeit die Möglichkeiten des Computers neugierig machen und die kreative Arbeit bereichern – das Handwerk wird für neue Generationen seine Faszination nicht verlieren.
Und solange es Künstler wie Julia Gutkina gibt, die ihre überbordende Schaffensfreude auch uns Werkstattbetreiber spüren lässt, ist es um die Druckgrafik gut bestellt.
Jeanette Rössler
Die Abbildungen zeigen Reinhard Rössler, Robert Schmiedel und Jeanette Rössler beim Druckprozess der Arbeit o. titel, 2016.
Mit freundlicher Unterstützung:
BBK „Neustart Kultur“
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien